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Durch eine geringe Zustimmungsquote wurden mit unnötigen Re-Permission-Mailings millionenfach E-Mail-Adressen verbrannt. Das hat auch Vorteile.
Kurz vor dem 25. Mai 2018 passierte etwas Unglaubliches: Viele Unternehmen, die sonst auf Basis von strategischen Überlegungen und durchdachten Projekt-Plänen vorgehen, vernichteten in Nacht-und-Nebel-Aktionen Vermögenswerte, die über Jahre hinweg mühsam aufgebaut worden waren.
Die Rede ist von den Re-Permission-Mails, die kurz vor dem Inkrafttreten der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung der EU) millionenfach verschickt wurden. Mails, mit denen mehr oder weniger verzweifelt versucht wurde, eine nachträgliche Zustimmung, in der Regel zum weiteren Erhalt ihrer Newsletter, zu bekommen.
Diese Mails haben allesamt wohl zu dem gleichen Ergebnis geführt: Es wurden damit massenweise wertvolle E-Mail-Adressen verbrannt. Adressen, die teilweise über Jahre hinweg mit viel Aufwand aufgebaut worden waren, wurden quasi über Nacht vernichtet.
Die Gemeinsamkeit: Katastrophale Ergebnisse
In allen uns bekannten Fällen waren die Ergebnisse vergleichbar: Kaum ein Unternehmen schaffte es, mehr als 10 Prozent Zustimmungsquote zu erreichen. Anders formuliert: In den meisten Fällen wurde der Verteiler um mehr als 90 Prozent reduziert. In einem besonders bemerkenswerten Fall wurden über ein solches Re-Permission-Mailing sogar 98 Prozent aller Adressen vernichtet. Von 60.000 Adressen blieben kaum noch 1.200 übrig.
Der Logikfehler: Solche Mailings waren völlig sinnfrei
Diese globale Wertevernichtung beruhte leider auf einem gedanklichen Fehler, dem scheinbar viele Juristen, Marketer und Geschäftsführer unterlegen sind:
Wenn eine gültige Zustimmung vorlag (auch schlüssiges Verhalten ist eine gültige Zustimmung), dann wäre ein Re-Permission Mailing gar nicht notwendig gewesen.
Wenn es keine gültige Zustimmung gab, dann war dieses Re-Permission-Mailing gar nicht erlaubt!
Anders formuliert: Solche Mailings hätten – so oder so – nie verschickt werden dürfen.
Völlig unnötige Wertevernichtung
Der größte Wermutstropfen an der ganzen Geschichte: Die Adressen wurden in fast allen Fällen unnötigerweise verbrannt. Denn wenn Empfänger in der Vergangenheit wiederholt Mailings bekommen hatten (samt Abmeldemöglichkeit), dann kann man von einem schlüssigen Verhalten ausgehen – eine neuerliche Zustimmung war dann gar nicht notwendig.
Was die DSGVO betrifft, wäre darüber hinaus eine reale Möglichkeit gewesen, mit einem „berechtigten Interesse“ zu argumentieren, das in der DSGVO als eigener Ausnahmegrund genannt wird. Wenn das wirtschaftliche Interesse (Direktmarketing gehört hier explizit dazu!) höher zu bewerten ist als das Datenschutz-Interesse der Betroffenen, dann ist laut DSGVO eine (datenschutz-rechtliche) Einwilligung überhaupt nicht notwendig.
Und bei einer vertraglichen Grundlage sowieso nicht.
Der Segen für das E-Mail-Marketing
Bei all der kollektiven Panik und Dummheit, die hier weltweit passiert ist, gibt es – gottseidank – auch einige wichtige Plus-Punkte, die E-Mail-Marketing positiv beeinflussen werden.
Erstens werden sich die E-Mail-Marketing-Kennzahlen wesentlich verbessern. Denn die verbleibenden Empfänger sind jene, die sich auch tatsächlich für das Unternehmen und dessen Inhalte interessieren – sonst hätten sie ja nicht neuerlich ihre Zustimmung gegeben bzw. von den Abmeldemöglichkeiten Gebrauch gemacht.
Außerdem werden viele Empfänger spürbar weniger Newsletter bekommen – und damit den verbleibenden Mailings vermutlich etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Beides führt dazu, dass relative Kennzahlen wie Öffnungs- und Klickraten bei vielen Versendern spürbar besser werden sollten.
Zweitens sollte die Relevanz der Mailings steigen. Denn durch die Reduktion der Empfänger wurde die Datenbank bei den meisten Unternehmen homogener – und die Interessen der Empfänger damit einheitlicher und berechenbarer.
Und drittens werden die laufenden Kosten sinken. Denn wenn deutlich weniger Empfänger verblieben sind, dann wirkt sich das positiv auf die Versandkosten aus.
Und was jetzt? Ein paar Ideen
Unternehmen sollten die Gewinnung von neuen E-Mail-Adressen (natürlich samt Zustimmung) zu einem strategischen Fokus-Projekt machen. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, um legal neue Adressen zu generieren – zum Beispiel durch die Optimierung des Anmeldeprozesses auf der eigenen Website oder die Nutzung bereits vorhandener Customer Touch Points. Solche Maßnahmen sollten eine hohe Priorität bekommen, um wieder einen qualitativ hochwertigen Verteiler aufzubauen.
Tipp: Wir haben zu diesem Thema ein ausführliches Whitepaper „Best Practice: E-Mail Adressen generieren“ entwickelt. Darin beschreiben wir wichtige Maßnahmen und geben viele Tipps und Tricks, wie man mit einfachen Mitteln zu neuen E-Mail-Adressen kommt.
Eine weitere Option wäre, all jene Empfänger, die ihre (neuerliche) Zustimmung verweigert haben, auf anderen Kanälen (z.B. postalisch) zu kontaktieren, um sie vielleicht doch noch für den Newsletter zu begeistern. Das wird natürlich nicht in jedem Fall gelingen – doch mit guten Argumenten und einem überzeugenden Angebot – z.B. versehen mit einem Incentive – könnte man den Schaden durch die sinnlosen Re-Permission-Mailings etwas reduzieren.
Last but not least: Unternehmen sollten E-Mail Marketing als strategischen Kanal begreifen und entsprechende Ressourcen in die Entwicklung einer Strategie und in die Optimierung der Inhalte stecken. Denn wenn der Newsletter interessanter, relevanter, attraktiver gewesen wäre, hätten wohl nicht so viele Empfänger leise „Servus“ gesagt.