Juli
Eine Kommission wirft Plattformen wie Facebook vor, die Demokratie zu gefährden. Um gegen Falschinformationen im Internet vorzugehen, wollen sie Technologiefirmen für ihre Inhalte verantwortlich machen und Micro-Targeting verbieten, wie es in einem Bericht heisst.
Die für Medienpolitik verantwortliche Kommission des britischen Unterhauses hat am Sonntag einen brisanten Bericht veröffentlicht, wie die NZZ berichtet. Der Ausschuss hat untersucht, wie soziale Netzwerke die politische Meinungsbildung beeinflussen und verändern. Der Bericht enthält ein separates Kapitel über die EU-Abstimmung vor zwei Jahren, bei der Cambridge Analytica (CA) die Brexit-Kampagne über Facebook geführt hat.
Politiker sehen Demokratie gefährdet
Das offizielle Abstimmungskomitee für den EU-Austritt, «Vote Leave», habe systematisch irreführende Meldungen verbreitet, um Vorurteile zu schüren, heisst es im Bericht. Damian Collins, der Vorsitzende der Untersuchungskommission, hält fest, dass weite Teile der Bevölkerung auf diese Weise beeinflusst werden könnten. Das gefährde die Demokratie. Die Kommission kritisiert Verantwortliche wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder Alexander Nix, der damalige Chef der Firma CA, weil sie nicht mit ihr zusammengearbeitet hätten.
Der Bericht beruht auf den Anschuldigungen des Whistleblowers und ehemaligen Mitarbeiters von CA Christopher Wylie. Laut Wylie habe CA im Wahlkampf für Donald Trump erfolgreich Ausgabebeschränkungen umgangen. Wie die britische Wahlbehörde kürzlich feststellte, machte sich auch die Brexit-Kampagne eines ähnlichen Verstosses schuldig.
Wie die NZZ berichtet, sagte Collins am Sonntag gegenüber dem BBC-Radio, dass selbstverständlich auch die EU-Befürworter in ihrer Kampagne Facebook benutzt hätten. Über illegale Machenschaften, wie die Umgehung von Ausgabengrenzen, sei dem Ausschuss bisher jedoch nichts zu Ohren gekommen.
Rechtswidrig wäre auch, eine politische Kampagne aus dem Ausland finanzieren zu lassen. Für eine russische Beteiligung im Brexit-Abstimmungskampf gibt es laut dem Ausschuss keine Beweise, aber indirekte Hinweise. Diesen Verdacht untersucht die britische Datenschutzbehörde in einer separaten, noch nicht abgeschlossenen Untersuchung.
Unterhausausschuss schlägt Reformen vor
Der Parlamentsausschuss macht in seinem Bericht mehrere Reformvorschläge. Technologiefirmen wie Facebook und Twitter sollen – gleich wie die Medienerzeugnisse – im Gesetz als eigene Kategorien gelten. So könnten sie für die Inhalte verantwortlich gemacht werden, die auf ihren Plattformen transportiert werden. Schädliche und illegale Botschaften zu verbreiten, würde demnach strafbar. Die Parlamentarier schlagen ausserdem vor, dass bei politischen Werbeaktionen in den sozialen Netzwerken ausgewiesen werden muss, wer sie finanziert hat.
Auch ein Verbot des sogenannten Micro-Targeting zieht der Bericht in Betracht. Beim Micro-Targeting bekommt der Empfänger auf ihn zugeschnittene Nachrichten. Weiter will die Kommission eine Abgabe einführen, bei der Firmen wie Facebook einen Teil ihrer Gewinne an die Aufsicht abtreten müssten. Die britische Datenschutzbehörde sei nämlich bei einem Etat von derzeit 27 Millionen Pfund pro Jahr mit der Aufgabe überfordert, heisst es zur Begründung.