Mai
Am heutigen Freitag tritt die Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Unternehmen müssen ihre Kunden nun ausführlich über die Nutzung ihrer Daten informieren. Wer als Nutzer regelmäßig auf großen Nachrichtenportalen wie Bild, Spiegel Online & Co. unterwegs ist, wird von den neuen Regeln aber nichts spüren. Auf ein generelles Opt-In verzichten die großen Publisher – noch. Denn mit der E-Privacy-Verordnung dürften die Anforderungen noch einmal deutlich steigen.
Vor zwei Wochen hatte eine Empfehlung der Datenschutzkonferenz für ein generelles Opt-In für Aufregung gesorgt. Die Versammlung der deutschen Datenschutzbehörden spricht sich in einem Positionspapier dafür aus, dass Nutzer dem Einsatz von Tracking-Mechanismen generell zustimmen müssen. Der Aufschrei war groß: Zahlreiche Verbände, darunter der ZAW und der BVDW kritisierten die Haltung der Datenschützer scharf. Unternehmen, Betroffene und Öffentlichkeit würden mit Aussagen konfrontiert, die „gemessen an der DSGVO in weiten Teilen neben der Sache liegen“, wetterte ZAW-Geschäftsführer Bernd Nauen.
Tatsächlich sind die meisten Unternehmen anderer Auffassung als die Datenschützer. „Eine Einwilligung als Rechtsgrundlage ist unseres Erachtens nach in Deutschland auch nach dem 25. Mai 2018 in den meisten Fällen nicht notwendig“, so die Einschätzung von Carsten Schwecke, Chief Digital Officer von Media Impact, dem gemeinsamen Vermarkter von Axel Springer und der Funke Mediengruppe. „Die aktuellen Diskussionen zur Opt-In Erhebung sind aus unserer Sicht rein strategischer Natur. Wir sind der Auffassung, dass in Deutschland weiterhin die Erhebung von pseudonymen Nutzerdaten auf Websites ohne Einwilligung, aber mit Information und Widerspruch möglich sein wird, soweit § 15 Abs. 3 TMG greift.“
In dem von Schwecke angesprochenen Paragraph steht: „Der Diensteanbieter darf für Zwecke der Werbung, der Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen erstellen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht.“ Jedoch habe der Diensteanbieter den Nutzer auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen. Konkret heißt das: Wer Bild.de ansteuert, muss einer anonymen Erhebung seiner Nutzerdaten nicht explizit zustimmen.
Ähnlich schätzt der Spiegel-Verlag die Rechtslage ein. Auch bei Spiegel Online und den anderen Websites des Verlags wird es kein Opt-In geben – Nutzer können der Erhebung bestimmter Daten aber widersprechen: „Wir haben die Datenschutzbestimmungen für unsere betroffenen Angebote entsprechend der DSGVO angepasst“, teilt der Verlag auf Nachfrage mit. „Die Nutzerinnen und Nutzern von Spiegel Online haben damit ab dem 25. Mai die Möglichkeit, einzelne Tracking-Optionen unkompliziert zu deaktivieren.“
Generell sehen sich die großen deutschen Publisher gut für die DSGVO gerüstet. Hubert Burda Media hat beispielsweise eine zentrale Plattform zur Erfassung und Bearbeitung von Datenschutzanfragen von Usern entwickelt. Axel Springer hat mit dem „Opt-in and Transparency Layer“ (OIL) sogar eigens eine Software entwickelt, die eine gesetzeskonforme Umsetzung von Inhalten und Werbeangeboten ermöglicht. Auch andere Medienhäuser können die Software über eine Open-Source-Lizenz nutzen. Als erster Partner nutzt Burda Forward Adverstising die Anwendung, um seine Onlineangebote DSGVO-konform aufzustellen.
Größere Herausforderungen sehen die Medienhäuser mit der E-Privacy-Verordnung auf sich zu kommen. Derzeit wird zwar noch um die genaue Ausgestaltung der neuen EU-Datenschutzregeln gerungen – sollte der Entwurf in der jetzigen Form umgesetzt werden, dürften die Folgen für die Onlinevermarkter massiv sein. So sollen Browser standardmäßig so eingestellt sein, dass Webseiten überhaupt keine Daten mehr erfassen können – mit den entsprechenden Folgen für sie Aussteuerung von Werbung.
„Sollte der aktuelle Entwurf zur E-Privacy Verordnung tatsächlich in Kraft treten, hätte das große Auswirkungen auf die Aussteuerbarkeit von Onlineinhalten.“
Carsten Schwecke
„Sollte der aktuelle Entwurf zur E-Privacy Verordnung tatsächlich in Kraft treten, hätte das große Auswirkungen auf die Aussteuerbarkeit von Onlineinhalten“, warnt Media-Impact-Digitalchef Schwecke. „Lehnt der Nutzer das Setzten von Cookies als Default Setting im Browser ab, kann weder ein IVW-Marktforschungspixel noch eine Sichtbarkeitsmessung vorgenommen werden. Auch ein DMP-Abgleich ist nicht möglich. Dem Nutzer würde wie in den 90ern einfach eine beliebige Werbung ohne Intelligenz angezeigt.“
Ähnlich äußert sich Burda: „Je nach Zustimmungs-Quote durch unsere User müssen wir mit hohen Konsequenzen auf die Aussteuerbarkeit der digitalen Werbung rechnen. Wir sind aber zuversichtlich, dem Werbemarkt hinreichend nicht personenbeziehbare Datenpunkte zu Verfügung stellen zu können, die eine gute Alternative zur effizienten Aussteuerung von Kampagnen gewährleisten.“
Nicht alle Vermarkter sind so optimistisch: Die im Onlinevermarkter-Kreis des BVDW (OVK) organisierten Online-Vermarkter rechnen durch die E-Privacy-Verordnung mit einem Umsatzrisiko in Höhe von mehr als 30 Prozent. In Euros ausgedrückt würde das Umsatzrisiko im Display-Werbemarkt in Deutschland bis zu 500 Millionen Euro netto pro Jahr betragen.
Zu einer ähnlichen Einschätzung wie der OVK waren bereits der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und die Organisation der Mediaagenturen (OMG) gekommen: Einer VDZ-Umfrage unter Publishern und Vermarktern zufolge werde der wirtschaftliche Schaden für die digitalen Werbeumsätze in Deutschland deutlich über 300 Millionen Euro pro Jahr betragen – Google und Facebook nicht eingerechnet. Die OMG beziffert die möglichen Einbußen für den deutschen Online-Werbemarkt auf durchschnittlich 30 Prozent. Das Themas Datenschutz dürfte die Branche also weiter auf Trab halten.
Quelle: HORIZONT.NET